In einem gut sortierten Weinkeller darf Ribera del Duero nicht fehlen. Aber nirgendwo mundet er so gut wie in seiner Heimat, dem Duerotal –
wo man die Tiefen der kastilischen Geschichte durchläuft – und Bodegas zum Hochgenuss einladen.
So das traditionelle Credo der Winzer im Weingebiet Ribera del Duero. Auch wenn man sich bei dem Gedanken schüttelt – der Grund ist plausibel: „Im Fell der Katzen bleiben Schwebstoffe wie Traubenreste hängen, die den Wein trüben. Insofern können die Tiere helfen, den Wein zu klären“, erklärt ein Kellerei-Mitarbeiter. Tatsächlich soll man sich in früheren Zeiten gefreut haben, wenn der eine oder andere Kater um die Lüftungsschächte der Bodegas schlich, vom CO2-Geruch, den diese verströmten, betäubt wurde, das Gleichgewicht verlor und in den Wein fiel. Heute sorgt stattdessen moderne Technologie dafür, dass nichts den Rebensaft trübt. Zumindest in renommierten Weingütern wie Vega Sicilia. Die Kellerei ist das önologische Aushängeschild des Tals, das sich über 115 Kilometer am Duero entlang zieht. In der kastilischen Hochebene zwischen Valladolid und Soria mit sehr heißen Sommern, kalten, langen Wintern, viel Sonne und wenig Niederschlägen gedeihen die Trauben für edle Tropfen wie zum Beispiel den Vega Sicilia Unico Gran Reserva. Hauptrebsorte ist Tempranillo del País – die sich vom Tempranillo der Rioja durch kleinere Trauben mit härteren Schalen unterscheidet. Doch inzwischen werden in der sanft hügeligen Landschaft auch Cabernet-Sauvignon, Merlot, Malbec und Albillo angebaut. Seit 1982 tragen die in Spanien hoch geschätzten Weiß-, Rosé- und Rotweine die Herkunftsbezeichnung DO Ribera del Duero.
„In einem guten Wein muss eine tote Katze gelegen haben“.
Wer sie vor Ort probieren will, kann von Madrid aus eine Tagestour in das Gebiet unternehmen. Die Agentur Rutas del Vino bietet Ausflüge an, bei denen zwei Bodega-Besuche und ein Lammbraten-Essen auf dem Programm stehen. Doch es wäre viel zu schade, es bloß bei einem Kurztrip zu belassen. Denn es gibt so viel zu sehen, zu riechen, zu schmecken – und natürlich zu trinken, dass man gut und gern eine ganze Woche bleiben kann. „Die Region ist ein echter Geheimtipp“, schwärmt die Deutsch-Spanierin Saskia Sanchez, Reisebüromitarbeiterin und Wiederholungstäterin in Sachen Riberotal. „Hier finde ich noch ein ganz authentisches Spanien vor. Mit wenig Tourismus, auch nur wenigen guten Hotels, aber sehr guten Weinen, einer hervorragenden rustikalen Küche, sympathischen Städtchen wie Valladolid, die man sich bequem zu Fuß erlaufen kann. Und das alles zu Preisen, von denen man anderswo in Spanien nur träumt.“
Von Madrid aus ist das Riberotal in wenig mehr als einer Stunde per Bus oder Mietwagen zu erreichen. Ein guter Standort ist Aranda de Duero, das mittendrin liegt und fast gänzlich unterkellert ist – mit Jahrhunderte alten Bodegas, die zwischen 1100 und 1500 angelegt wurden, um Wein zu lagern. Ein ganzes Netz sieben Kilometer langer Tunnel verbindet sie und lädt zu spannenden Touren durch den Untergrund ein.
Von Aranda aus lässt sich dann das Umland erkunden. Peñafiel zum Beispiel, das sich mit seiner stolzen Burg auf 750 Metern am Ufer des Duratón erhebt. Oder Valladolid. Ausgerechnet hier, in der tiefsten Provinz, lebte Miguel de Cervantes, als 1605 sein „Don Quijote“ veröffentlicht wurde. Der Geist des Ritters von der traurigen Gestalt umweht noch heute die Plaza Mayor. Und vor allem das Museum, das dem Dichter gewidmet und ganz im Stil eines Edelmanns des 16. Jahrhunderts eingerichtet ist. Vor ihm hatte bereits Christoph Kolumbus in der vorübergehenden Hauptstadt und Hofresidenz der Nation geweilt – und starb hier 1506 an jenem Ort, wo heute ein Museum seine Erkundungsfahrten rekapituliert. Zwei Jahre nach der offiziellen Entdeckung Amerikas schlossen Spanien und Portugal im nahegelegenen Tordesillas den Vertrag, mit dem sie die Kolonien untereinander aufteilten. So beschaulich der Ort aussieht, wenn man auf der malerischen Brücke über den Duero in Richtung Zentrum läuft – wenig später wurde er Schauplatz eines besonders düsteren Kapitels spanischer Geschichte: Nachdem Johanna die Wahnsinnige nach dem Tod ihres Gemahls 1506 angeblich den Verstand verlor, sperrte sie ihr Vater Ferdinand II. im Kloster Santa Clara ein, wo sie fast fünfzig Jahre bis zu ihrem Tod verblieb. Wenn sie wüsste, wie unbeschwert und angenehm es sich heute hinter so mancher alten Klostermauer lebt! Weit und breit gibt es keine stilvollere Bleibe als die Abadía Retuerta vor den Toren Valladolids. Aus der einstigen Prämonstratenserabtei aus dem Jahr 1145 in romanisch-barockem Stil ist ein kleines, feines Fünf-Sterne-Hotel mit Spa und Sterne-Restaurant geworden, das zugleich preisgekrönte Terroir-Weine hervorbringt – aus den Trauben, die rundum auf den Weinbergen gedeihen. Wer hier bei Degustationen auf Tuchfühlung mit dem Ribera del Duero gegangen ist, wird seinen unverwechselbaren Geschmack garantiert für immer auf der Zunge behalten!
Info
Alles rund um Bodega-Besuche, Weindegustationen, Sehenswürdigkeiten sowie Unterkünfte in Klöstern oder Palästen wie der Posada Real Sitio de Ventosilla bei Burgos lässt sich dem Weintourismusführer in deutscher Sprache mit dem Titel „Ven y Ribérate“ entnehmen, der über die spanischen Fremdenverkehrsämter zu beziehen ist. Im Internet wird man unter www.riberate.com fündig.
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Bildnachweis:
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