Reichen zwei Tage aus, um diese Stadt kennen zu lernen? Wir wagen den Selbstversuch.
Das Taxi bringt uns ins Hotel: das TRYP Barcelona Condal Mar in der Nähe des Strands Mar Bella liegt in einem Industriegebiet im östlichen Teil der Stadt, das gerade entwickelt wird. Das Haus ist modern, stylish, die Gegend etwas heruntergekommen.
Unser erster Spaziergang führt uns ans Meer. Zwischen Hotel und Strand viele Hochhäuser: Neubauten, Betonburgen – aber edel. www.tryphotels.com
Keine Zeit verlieren: Auf in die Stadt. Mit der U-Bahn. Wir buchen eine Barcelona Card – neben Ermäßigungen und gratis Eintritt bei vielen Sehenswürdigkeiten können wir mit ihr auch kostenlos den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Eine Zehner-U-Bahn-Karte ginge aber auch. www.barcelonacard.org
Im Untergrund spielen die besten U-Bahn-Musiker, die ich je gehört habe. Ob es dafür ein spezielles Casting gibt? Es sind Meister ihres Fachs, die traurige Melodien auf ihren Gitarren zupfen oder schmissige Rhythmen auf der Trompete schmettern.
Die breiten Boulevards lassen unser Herz jauchzen. Wir sind am Passeig de Gracia ausgestiegen. Hier residieren die großen Marken, hält der Luxus in exklusiven Boutiquen Hof. Die Häuser sind herausgeputzt mit dekorativen Mustern und filigranen Gestalten. Sagenhafte Tiere, eingefroren im Sprung, neben steif stehenden Wächtern und stolzen Heroen schmücken das Außen.
Highlights sind sicher die Häuser, die des Barcelona-Touristen liebster Architekt, Antonio Gaudí, gestaltet hat. Uns reicht der Anblick von außen, denn nicht nur die Ornamente schlängeln sich hier über die Fassade, auch die Unmengen Besucher davor auf der Straße. Früh aufstehen lohnt, wenn man nicht Stunden auf die Werke des genialen Meisters warten will – oder man bucht sein Ticket online. www.lapedrera.com und www.casabatllo.es
Unser Weg führt uns weiter über die Plaça Catalunya. Heiter der Eindruck, entspannt die Atmosphäre. Straßenkünstler, Ballon-Verkäufer, Alt und Jung scheint sich hier zu treffen. Dazu eine Menge an Tauben, die den Markus-Platz neidisch werden ließe, könnte ein Platz solche Missgunst spüren. Wir genießen die Szenerie mit ihren Brunnen und Figuren, die jeder Kulisse für Shakespeares Sommernachtstraum Ehre machen würde. Wenige Meter in Richtung Meer verwandelt sich die offene, beschwingte Weite in geheimnisvolle, mystische Enge. Nicht bedrückend, aber eine komplett andere Welt. Wir tauchen ein in die engen Gassen des Barrio Gótico. Hier in der Altstadt gibt es Winkel, in denen noch nie ein Sonnenstrahl schien. Kleine Lädchen bieten Sonderbares an wie Torten aus Handtüchern geformt oder Wesen, aus verschiedenen Teilen ausgestopfter Tiere gestaltet.
Auf einem überraschend lichten Plätzchen, dem Placeta del Pi, lassen wir uns im Restaurant Gabriel den Lunch servieren: Tapas. So lecker, so gut – eben wie eine Botschaft vom Erzengel! Ein Café con Leche zum Dessert, dann besuchen wir die heiligen Hallen der Kathedrale. Gleichwohl gotisch wirkt sie etwas gedrückt und düster und könnte eine Renovierung gebrauchen. Doch schnell wird klar, dass sie – allen Touristen zum Trotz – vor allem Ausdruck des religiösen Alltags ist: Hier steckt der Geschäftsmann eine Kerze an, kniet die Oma mit Kopftuch in der Bank, betet die junge Mutter mit Kind am Seitenaltar. www.catedralbcn.org
Das Schöne an einer Stadt am Meer: sie liegt am Meer. Wir springen in die Fluten im Viertel Barceloneta und genießen dann hier, am südlichsten Ende des Strandes, dem Platja Sant Sebastiá, einen Sundowner in einer der Strandbars, dem Ona. Ein erhebendes Gefühl, bei chilliger Musik die Sonne im Meer versinken zu sehen. Das Abendessen lassen wir uns im Litoral servieren mit Meeresrauschen als Soundtrack und einem Gläschen wunderbar frischen Viña Sol. www.litoralbarceloneta.com
Für den nächsten Tag haben wir ein Time-Slot-Ticket für La Sagrada Familia gebucht und angesichts der Schlangen damit wohl getan. Seit 1882 wird an der Kirche gebaut, 2010 hat Papst Benedikt sie erst eingeweiht. Sie ist ein Symbol für die Hartnäckigkeit und Geduld ihrer Architekten, allen voran Antonio Gaudí, der hiermit bewies, wie eng Genie und Wahnsinn beieinander liegen. Wir setzen uns in den Innenraum, versuchen das quirlige Touristengerenne wegzublenden und staunen über hochragende Säulen mit alienartigen Ausbuchtungen. Neben uns eine deutsche Familie. Das Kind weist auf die Symbole der vier Evangelisten und flüstert: „Schau mal Mama, die Sternzeichen!“ Unter der Kirche führt ein Museum in die revolutionäre Gedankenwelt des ersten Baumeisters und zieht ein bisschen die Verständnis-Schleier von diesem Glaubensbeweis aus Stein. www.sagradafamilia.cat
Wir sind etwas erschlagen von so viel pompöser Symbolik und laufen durch die Nachbarschaft, das so genannte Eixample. Diese Erweiterung der mittelalterlichen Innenstadt zum Ende des 19. Jahrhunderts ist ein Musterbeispiel für gelungenen Städtebau und war zu seiner Zeit revolutionär mit seinen breiten Straßen, abgeflachten Plätzen und viel Grün. Auch wenn die Füße qualmen: die Plaça Real ist unser Ziel. Dieser eng von Häusern umschlossene Platz ist pittoresk, hier gönnen wir uns im Ocaña einen leckeren Imbiss. Gemütlich, aber edel – kunstvoll ließ man den Zahn der Zeit wirken. www.ocana.cat
Kurz den Rummelboulevard La Rambla kreuzen, schräg gegenüber ist die Mercat de la Boqueria. Wir müssen uns zwar nicht durch eine Mauer aus Griesbrei durchfuttern, aber diese Markthalle ist so üppig bestückt, dass das Schlaraffenland dagegen wie die Heimstatt lustfeindlicher Diät-Halter wirkt. Aromen duften, Farben leuchten: Gewürze, Obst, Schinken, Fisch – allein der Anblick all der Köstlichkeiten prickelt geradezu auf der Zunge. Angesicht der Kilometermenge, die wir zurückgelegt haben, decken wir uns ohne schlechtes Gewissen mit süßen Leckereien bei einer Konditorei ein. www.boqueria.info
Auf der Suche nach etwas Erholung in all dem Trubel entdecken wir das Museu Maritim de Barcelona, das Schifffahrtsmuseum, untergebracht in den ehemaligen Schiffswerften der Drasannes. Hier entwarf man vom 13. bis zum 18. Jahrhundert Kriegs- und Handelsschiffe und konnte so die Herrschaft über das gesamte Mittelmeer gewinnen. Bis zu 30 Galeeren gleichzeitig konnten die Meister erbauen. Highlight: der originalgetreue Nachbau einer Rudergaleere aus dem 16. Jahrhundert. www.mmb.cat
Noch ein Highlight: der Innenhof, der etwas unterhalb der Straße liegt und wie eine Mini-Oase vom Trubel der Stadt abschirmt. Ein kleines Café versorgt uns für die nächste halbe Stunde mit Proviant, doch dann heißt es schon wieder Abschied nehmen. Ein letzter Blick auf einen Welteneroberer in schwindelnder Höhe: Das Monument Cristobal Colón erinnert an die Heimkehr des Amerika-Entdeckers. Wir fühlen uns zumindest auch ein kleines bisschen als Entdecker und kehren voller Erlebnissen nach Hause zurück. Wir sind uns sicher: Wir kommen wieder – für mehr als 48 Stunden. www.turismedebarcelona.net
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